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Bergwesen & Lichterfahrungen

Meine Almzeit: sieben Wochen lang alleine auf einer Almhütte. Nach 13 Jahren Schweigen enthülle ich meine Geschichte...

Wer es noch nicht weiss...

mein Taufname ist Walpurgis (alter keltischer Hexenname) und ich bin 53 Jahre alt. Ich habe 11 Jahre lang in einer Frauengruppe im Rahmen eines internationalen Weltfriedensprogrammes meditiert.

Danach wollte ich alleine sein und weil ich Natur sehr liebe, ging ich für 7 Wochen ganz alleine in die Schweizer Berge auf eine Almhütte. Ich kam also schon aus einem Leben, das nicht der Norm entspricht, hatte bisher auch kein Geld verdient sondern lebte sehr bescheiden auf Sponsorship, Erspartem und mit Gruppenversicherung.

 

Niemand konnte mich kontaktieren und nur meine Eltern und die Vermieterin wussten, wo ich war. 

Die ersten Tage war mir etwas mulmig, da ich so lange den Schutz der Gruppe gewohnt war - obwohl ich von Natur aus ein sehr unabhängiger, Freiheit liebender Mensch bin. Ich bekam diese Almhütte ja nur mit dem Versprechen, ein geliehenes Handy mitzunehmen (das ich dann aber immer in der Hütte ließ und kein einziges Mal einschaltete). Ich kreierte eine geistige Schutzhülle um die Hütte, damit feindliche Tendenzen keine Chance haben einzudringen.

 

Ja und auf die Hütte kam ich über eine Bekannte, der ich selbstlos half. Ich musste in der Situation meinen inneren Schweinehund überwinden, aber die Natur belohnte das reichlich, indem sie mir im Gespräch mit dieser Frau über mehrere Ecken diese Hütte zuspielte. Die vorangegangene Recherche am Internet war ohnehin erfolglos gewesen.

 

In meiner neuen Bleibe ging ich täglich über einsame Täler und Bergspitzen, durchforstete Fauna und Flora und war in sehr tief verbundenem Kontakt mit der Natur. Jeden Tag ging ich an einem Bergbauernhof vorbei, von dem aus mir der Ziegenbock ziemlich weit nachlief, gefolgt von einer Schar meckernder Ziegen (die wohl um ihren Chef bangten…). Ich spürte eine innige Zuneigung zu ihm und dachte mir damals, dass ich das wohl niemandem vermitteln werde können. Denn Leute denken immer gleich in fest gefahrenen Vorstellungen.

 

Da ich dort oben nicht arbeitete sondern nach meinem eigenen Willen leben konnte, war ich „frei“. Aber damit muss man umgehen können: 7 Wochen liegen vor dir, es gibt keine Kontrolle von aussen, ausser Tag und Nacht. Die Struktur gibt man sich selber. Eine große Leere, die ich füllen konnte, wie es meine Seele erlaubte. 

 

Abgesehen vom täglichen Herumkrebsen war ich an den langen Regentagen an das Almhaus gebunden und ich begann wieder zu malen, Lieder zu komponieren und zu singen. Meine Gitarre hatte ich mitgebracht. Neun neue spirituelle Lieder und ca. 50 Bilder kamen dabei heraus. Ich hatte in einer Schublade des alten Stubentisches leere Postkarten und Farbstifte gefunden. Da ich mein Instrument lange nicht benutzt hatte und jetzt jeden Tag spielte, bekam ich blutige und dann eitrige Blasen an den Fingerkuppen. Ich war fast etwas fanatisch beim Spielen und Singen, hatte Riesenfreude daran. (Später machte ich mit dem Material CDs und Ausstellungen, wusste das aber zu der Zeit noch nicht…).

 

Da ich „In-Mich-Gehen“ gewohnt und immer schon kreativ war, verging die Zeit relativ schnell und langweilig war mir kein einziges Mal.

Dennoch wurde mir diese „Entscheidungsfreiheit“ manchmal schockartig bewusst. Meistens sind wir von auferlegten Regeln und Vorgaben getrieben, geprägt von Erziehung und mehr oder weniger (un)bewusst gefällten Entscheidungen. Und nun schaute ich da hin, wo das alles entsteht: Wie wirkt sich mein Leben, mein Tag  auf mich aus , wenn ich jetzt dies mache - oder doch lieber das - oder einfach —— gar nichts? Ich schaute mir die selbst auferlegten Zwänge an und beobachtete, wie tief diese sitzen. Die ganze Menschheit scheint von solchen Zwängen fern gesteuert zu sein, aber ändern kann ich es doch nur bei mir selber. 

Das war auch ein Mitgrund, warum ich  dahin wollte, in die völlige Ein-samkeit. Die Freiheit der Selbstfindung braucht Disziplin…

 

Durch mein langjähriges Meditieren (was ich ja auch auf der Almhütte weiter praktizierte) hatte sich meine Wahrnehmung sehr verfeinert und meine Haut war sehr empfindsam. So mied ich jeglichen Kontakt mit Menschen. 1 x die Woche ging ich ins nächst gelegene Dorf und kaufte eigentlich nur Zitronen und  … zuckerfreie Schokolade :-) . Aus dem Gespräch mit der neugierigen Kassiererin entnahm ich, dass das ganze Dorf über diese unbekannte Person aus Österreich zu diskutieren schien. Sie vermuteten dass ich zuckerkrank war (Schoko) und deshalb Spezialurlaub brauchte… 

Nun, ich hatte mir alle haltbaren Nahrungsmittel in Bioqualität schon davor eingekauft und ansonsten aß ich Wildgemüse/kräuter, Beeren und auch Rindenstücke. Kenne mich ja gut aus damit. 

 

Grundsätzlich war ich gut versorgt - und es gab sogar eine Badewanne in der Hütte, die genoss ich mehrmals und fand den Luxus recht lustig.

Vor allem als es schneite (und das im Mai!) und meine Bewegungsfreiheit etwas eingeschränkt war. Schi hatte ich keine mit, auch nicht damit gerechnet. 

Bei den langen Indoortagen wurde ich manchmal etwas traurig oder auch depressiv. Ich merkte dann, wie ich aufkommende Einsamkeitsgefühle selbst steuern konnte. Ich hatte ja Menschen, die ich sehr mochte und durch Erinnerungen kultivierte ich einfach meine Herzensgefühle. Dann ging es mir wieder gut. 

 

Nun das außergewöhnlichste Erlebnis meines ganzen Lebens überhaupt:

Ich begab mich täglich frühmorgens an eine etwas erhöhte und versteckte Stelle, um zu meditieren oder einfach in Stille die wunderbare Umgebung zu betrachten. Diese umfasste ein kleines aber tiefes, grünes Tal, umringt von felsigen Gebilden. Mein Geheimplatz war so hoch, dass ich manchmal Adler und ähnliche große Vögel in Augenhöhe kreisen sah. Die Energie von diesem Ort zog mich so in Bann, dass ich immer wieder kam und dabei die Zeit vergass. Stunden um Stunden vergingen und als ich Gänsehaut bekam, merkte ich dass die Sonne am Untergehen war. Nach ein bis zwei Wochen (im Nachhinein schwer zu sagen) bemerkte ich immer mehr Leben in diesem Tal und den umgebenden Felsen. Mir wurde immer mehr bewusst, dass sich hier ganz viele Wesen aufhalten oder eigentlich alles rein aus Naturwesen besteht. Da war nichts statisch, obwohl absolute Ruhe herrschte. Und diese Wesen kommunizierten miteinander, waren in ständigem Austausch und Kontakt. Irgendwann begann ich zu verstehen, was sie meinten / sagten, ohne Worte zu benutzen! Die Grashalme, die Blumen, die Erdbrocken, die Felswände, die Würmer und das kleine Bodengetier, die in der Luft schwirrenden Insekten und Vögel, alles alles sprach miteinander. 

Aus der zeitlichen und örtlichen Ferne erzählt, klingt dies wie ein feines Märchen, erfinden lässt sich ja alles und es gibt heutzutage nichts, was es nicht gibt. Aber das Mysterium der Natur zeigt sich nicht jedem, ich habe es selbst am eigenen Leib erlebt und durfte letztendlich sogar daran teilhaben. Bis ich ein Teil von ihnen wurde, es gab einfach keine Trennung und sie redeten mit mir als Teil ihrer „Gemeinschaft“. So wie die Mutter in Sorge ihr Kind betrachtet, so beobachtete ich mit fast atemloser Ehrfurcht und Hingabe, wie sich das Kind in mir mit diesen Naturwesen unterhielt. Mein physischer Mund bewegte sich nicht und dennoch war da klare Rede. Sie fragten mich nicht wirklich etwas, sondern erzählten vielmehr aus ihrem Leben. Sie haben dieselben Bedürfnisse, Sorgen und Ängste wie wir. Es geht immer um (Über-)Leben und noch besser Leben, es geht um die Glückserfahrung.

Wenn ich Abends im Holzbett der Almhütte lag und auf den großen Bergbusen vor dem kleinen Fenster sah, dachte ich manchmal, ich würde das nie jemand erzählen können, denn da wird man ja als abnormal oder verrückt erklärt. Und wer will das schon, wenn man in der „normalen“ Gesellschaft lebt…

Als ich zurück kam, kam ich mir vor wie eine Außerirdische und war eigentlich ziemlich durcheinander. Ich war in der Zeit dann auch hellsichtig, was mich noch mehr verwirrte. Ich sah viele Sachen gleichzeitig, zum Beispiel beim Beobachten eines jungen Paares mit Kinderwagen, wie ihr Kind im Geist (Wunsch) und dann physisch entstanden war.

Ich brauchte einige Zeit zum Integrieren und Stabilisieren, aber jetzt habe ich eine „Elefantenhaut“ und bin sehr bodenständig.

 

Auf einem Bauernhof geboren, war ich immer schon sehr Natur verbunden. Aber diese Zeit prägte mein Leben insofern, als ich seither wieder (wie als kleines Kind) mit den Naturwesen kommuniziere, nur noch bewusster. Ich versuche seither, dies in meditativen Kraftplatzwanderungen, vor allem um den Sagen umworbenen heiligen Untersberg (wo ich lebe) herum, an andere Menschen weiter zu vermitteln. Das ist keine einfache Aufgabe, die meisten wollen nur äußere Sensationen erleben und „Futter für den monkey mind“.

Aber wer offen ist und bereit, sich selbst etwas zurück zu nehmen, den belohnt die Natur.

 

Und JA, ich würde gerne wieder oder überhaupt länger auf einer Alm leben. Aber ich darf noch ein paar Jahre arbeiten (bin ja Yoga- und Meditationslehrerin), um Anspruch auf die Mindestpension zu haben. Seit ich 50 wurde und ich meinen Bruder 1,5 Jahre lang in seinem Wachkoma begleitete, bin ich etwas mehr auf Absicherung aus. 

Alles zu seiner Zeit.

Namaste.

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