Nach einer turbulent-stürmischen Zwischenlandung in Frankfurt verlief die weitere Flugreise sehr angenehm im Gespräch mit einem begeisterten indischen, in London agierenden Richter, der mich als seinen neuen Guru in Sachen Yoga und Meditation bezeichnete. Einen neuen Ohrwurm summend stieg ich dann spätnachts in Delhi aus dem Flugzeug: ein kleiner indischer Junge hatte an die sechs Stunden (!) mit kleinen Unterbrechungen „Jingle Bells“ vor sich hingesungen oder besser gekrächzt bis geschrien - und keiner schien sich daran zu stören… Mein neues Mantra!
Der knallrote Trolley, welchen ich auf der letzten Indienreise gekauft hatte, gab schon am Anfang der Reise nach der Zollkontrolle im Salzburger Flughafen den Geist auf: Henkel abgerissen und Schiebestützvorrichtung abgebrochen - na servas… Der neue in Delhi kostete für indische Verhältnisse ein Vermögen, geschlagene € 93,-! Dafür drei Jahre Garantie beim selben Händler, falls wieder mal die Schiebestützvorrichtung abbrechen und der Henkel abreissen sollte. Ist ja bei mir fast ums Eck :-)
Der Taxifahrer zum Zugbahnhof fügte der dreispurigen „Autobahn“ eine vierte hinzu, bis ihm ein unbeleuchteter (aus unserer Sicht) Geisterfahrer entgegen kam, diesem ließ er einfach ohne Kommentar mit Seelenruhe den Vorrang. Für mich als Pitta dominierten Typen eine Herausforderung (musste meine feurige Zunge hüten…)!
Der Autofahrer vor uns öffnete mehrmals während der nicht gerade langsamen Fahrtgeschwindigkeit seine Wagentür, um eingehend den rechten Vorderreifen zu begutachten - eine wohl ökonomische sprich zeitsparende Vorgehensweise: Multitasking! In Indien wird übrigens links gefahren, also bog sich der Kopf des Chauffeurs zur Straßenmitte hin, der Abstand zu den Nebenfahrern war auf Tuchfühlung. Der Zug nach Kathgodam war zu meinem Erstaunen fast leer, so etwas war für mich in Indien noch neu!
Der Dreck von „Menschen erzeugtem Abfall“ (Plastik Ende nie) neben den Gleisen vermischte sich mit der bunten Blütenpracht von rosafarbenen Rhododendren. Der LKW hier hätte um ein Haar im Affentempo mein zu Boden gefallenes Handy überfahren- so war nur das Glas zerbrochen...
Der Anamay Ashram ist an einem nach Osten gebogenen Hang gelegen, wodurch sich uns wunderbare Sonnenaufgänge sowie knallrote Berge beim Sonnenuntergang zeigen.
Am 1. Gheetag Beginn der ayurvedischen Diät mit Hanfsuppe (genannt „Hemp Chutney“), die sich unbeabsichtigterweise als ziemlich bewusstseinsverändernd heraus stellte. Alle, die davon gegessen hatten, waren nach spätestens zwei Stunden „stoned“… Ich wunderte mich, dass sich beim Spaziergang alles drehte und ich meine Bewegungskoordinaten nicht mehr unter Kontrolle hatte. Die anschließende Meditation fühlte sich ziemlich abgehoben an und eigenartige Phantasien spielten sich ab im Kopf, schlichtweg eine „krasse“ Erfahrung. Und das mir, die ich mein Leben lang keine Dogen ausprobiert hatte - an einem Platz, der wahres Yoga-Wissen lebt! Es stellte sich später heraus, dass die Hanfsamen fälschlicherweise mit Hülse geliefert worden waren bzw in manchen Sorten sind die „gefährlichen“ Substanzen auch im Kern enthalten. Die rote Kakteen ähnliche Pflanze am Waldboden kannte nicht mal der hiesige Vaidya (Ayurvedaarzt). Die gelben Kugeln sind Schlangenfutter :-).
Die ayurvedischen Massagen werden in Indien auch etwas anders gehandhabt als im Westen. Zum Beispiel musste eine der beiden Therapeutinnen nach zehn Minuten Massage, in der ich mich schon ganz losgelöst fühlte, „kurz mal weg“, um im Nebenraum einen Einlauf zu geben. Damit ich mich nicht langweilte, erzählte mir die zweite Therapeutin auf Hindi ihre Familiengeschichte - auch wenn ich nichts verstand ausser dass sie zwei Kinder haben musste, weil sie mehrmals zwei Finger hob… Am nächsten Tag verschwand die zweite Therapeutin kurz nach Beginn der Massage. Später stellte sich heraus, dass sie ohne Abmeldung einfach nach Hause gegangen war…
Alles in allem sind die Behandlungen sehr mystisch, in Südindien beginnen sie übrigens mit einem Gebet vor der bereits entkleideten Patientin...
Am Fuße der Kapelle suchen Mensch und Tier ihre Ruhe:
In der Ayurveda-Hexenküche wird Zitronenchutney gemacht, würzig mit allen 6 Geschmacksrichtungen versetzt: süß, sauer, salzig, herb, bitter und schaaaaarf! Only in India...
Die Stille der morgendlichen wie abendlichen Meditationszeiten wird gelegentlich vom Gesang (Chanting) der ca. 50 jungen Pandits durchdrungen, manchmal versetzt mit einem fast erschreckend lauten Muschelhornblasen. Die Geräuschkulisse wird von den herum tosenden Affen abgerundet. Vor allem nachmittags suchen sie alles nur irgendwie Essbare für sich zu erhaschen und auch einem Handy sind sie nicht abgeneigt. Gerne fangen sie nachts um drei an, ihren ersten Morgensprung am Blechdach über meinem Kopf zu machen, gefolgt von einem (für sie) lustigen Fang-Trampelspiel, huhuuuu… Das kann ich ihnen trotz der witzigen Grimassen und dem Sich-Gegenseitigen-Lausen nicht ganz verzeihen.
Was sucht denn ein westlicher Mensch in Indien anderes als innere Ruhe? Solche Situationen sind die besten Lehrmeister dafür.
Nun, in der Dunkelheit bewegt man sich zwischen den Häusern nur mit einem klaren Taschenlampenlicht, welches im Falle, dass ein leuchtend-starrendes Augenpaar auftaucht, gegen dieses gerichtet wird. Denn Tiger greifen nur in reiner Finsternis an, sie werden bei Gegenlicht sozusagen „nachtblind“. Also einfach drauf achten, dass die Batterie genügend geladen ist…!
Gute Nacht und Namaste fürs Erste!
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